Montag, 27. Dezember 2010

Ursache-Wirkungskette:

"Einer (oder auch eine) fühlt sich aus objektiven oder auch aus nicht nachvollziehbaren Gründen defizitär. Man hat Komplexe, fühlt sich seiner sozialen Gruppe nicht richtig zugehörig und verbringt deswegen ein gut Teil seiner Jugendzeit mit Schmollen und alleine Herumhängen. Jetzt hat man freilich viel Zeit zum Lesen. Und man liest die Geschichten von anderen, denen es irgendwie ähnlich ergangen ist. Da man es meist aber nicht gut aushält, sich konsequent schlechter vorzukommen als alle anderen, dreht man irgendwann das Ganze einfach um. Man entscheidet: Ich bin nicht schlechter als die anderen, die immer Spaß haben und auf Partys gehen, auf die ich nicht eingeladen werde, und am See rumknutschen, während ich alleine in mein Kissen weine. Ich bin besser. Ich bin tiefschürfender und poetischer. Man adelt sich also aufgrund eines Komplexes in die Welt des Geistes hinein. Und wenn man die Rolle erst einmal für sich entdeckt hat, dann füllt man sie tatsächlich mit Gelerntem. Dafür hat man ja Zeit, weil man ja wirklich nicht auf Partys eingeladen oder am See zum Rumknutschen gebeten wird. Und schon ist man Denker (oder eben Denkerin), Aber due ganze Denkerei und tiefe Empfinderei hat freilich nur den einen Zweck, sich schlussendlich doch noch irgendwie von hinten linksherum auf die oberen Stufen der Nahrungskette (und ergo im erotischen Ranking) hochzuarbeiten."
Christoph Süß - Ich denke, also bin ich verwirrt.

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